»Genau wie meine Kunden lege ich großen Wert darauf, dass Individualität, Passform und Design zusammenspielen. Dass die verwendeten Stoffe eine ausgezeichnete Qualität haben und für lange Zeit Freude bereiten.« Sagt Friederike Lips, Herrenmaßschneiderin in Fulda. Ihr hoher Qualitätsanspruch richtet sich dabei nicht nur an handgearbeitete Maßanfertigung, sondern ebenso an die Maßkonfektion. Dies hat einen ganz speziellen Grund.
Friederike, Maßkonfektion ist neben der eigentlichen Maßanfertigung in vielen Ateliers die zweite Säule des Betriebes. Bei dir scheint sie darüber hinaus noch eine besondere Rolle zu spielen?
Die Entscheidung, neben individueller Maßanfertigung auch Maßkonfektion anzubieten, basiert auf meiner Überzeugung, dass ausgezeichnete Qualität und individuelle Passform nicht ausschließlich für maßgeschneiderte Kleidung reserviert sein sollten. Vor allem geht es mir aber darum, Aufklärungsarbeit in Bezug auf Mode, Bekleidung, Qualität und Nachhaltigkeit zu leisten. Am Ende des Tages regelt sich viel über den Preis und die Maßkonfektion ermöglicht es uns, unseren Kunden eine alternative Preisgestaltung anzubieten. Dadurch fühlen sich auch diejenigen angesprochen, bei denen das Wissen, was Maßkleidung ausmacht, zum großen Teil nicht mehr vorhanden ist.
Also Maßkonfektion als ein Schritt hin zu einem bewussteren Umgang mit Kleidung?
Definitiv. Mir scheint, als hätte Kleidung in der gesamten Geschichte noch nie so geringe Bedeutung in den Köpfen gehabt wie derzeit. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass neben Bundweite und Saumlänge noch weitere Faktoren entscheidend sind für Kleidung, die nicht nur gut aussieht, sondern in der man sich wohlfühlt, weil sie zu einem passt. Ich glaube, dass es einen Zwischenschritt braucht, um Sichtweisen in Richtung Individualität, Qualität und Nachhaltigkeit wieder zu öffnen oder neu zu fokussieren. In diesem Sinne betrachte ich die Maßkonfektion als Chance, einer breiteren Kundenbasis zumindest einen Vorgeschmack darauf zu geben, wie sich gutsitzende Kleidung anfühlt und wie fabelhaft Mann oder Frau darin aussehen kann.
Warum nur einen Vorgeschmack und nicht gleich das Hauptgericht, also durchgehende Maßanfertigung?
Maßkonfektion ermöglicht es, Kleidungsstücke individuell an die Bedürfnisse und Vorlieben des Trägers anzupassen, wodurch ein individueller Stil gefördert wird, was wiederum dazu beiträgt, dass solche Kleidungsstücke länger getragen und nicht bei jedem Trendwechsel aussortiert werden. Weiterhin trägt die Wahl von hochwertigen Materialien dazu bei, den Lebenszyklus eines solchen Teils zu verlängern. Dies alles gilt natürlich auch für die handwerkliche Maßanfertigung. Der entscheidende Unterschied, warum ich auch auf Maßkonfektion setze: Sie ist in der Produktion preisgünstiger, das macht es Einsteiger*innen leichter, es einfach einmal auszuprobieren und auf den Geschmack zu kommen.
Willst du diesen Weg weiterverfolgen? Wo siehst du dich, dein Atelier und deine Kunden in zehn Jahren?
Handwerkliche Maßkleidung wird heute oft als etwas Elitäres betrachtet und ist ziemlich weit weg vom größten Teil der Bevölkerung. Das macht es noch schwieriger, den Zugang zu guter, nachhaltig hergestellter Kleidung zu finden bzw. anzubieten. Mein großer Traum ist es, zusammen mit anderen eine Art kooperativer Bekleidungsmanufaktur für alltagstaugliche Kleidung aufzubauen, die qualitativ hochwertig und gleichzeitig für den Durchschnittskunden erschwinglich ist. Es wäre der Versuch, eine nahezu vergessene Kleiderkultur wieder aufleben zu lassen.
„Meine Kriterien für gute Maßkonfektion: Die Produktion muss definitiv in Europa stattfinden, die Stoffkollektion sollte ein Niveau haben, auf dem ich auch Vollmaßanfertigungen anbieten würde, und die Qualität der Fertigung muss meinen Ansprüchen genügen.“ (Friederike Lips)
Also Kleidung mit einem hohen Anspruch an Qualität, aber »demokratischer« im Preis?
So könnte man es ausdrücken. Die Zusammenarbeit in kooperativen Teams ermöglicht es, effizienter zu arbeiten. Ohne die Idee der individuellen Anfertigung zu vernachlässigen, könnten an der Maßkonfektion orientierte Verfahren, innovative Techniken und eine entsprechende maschinelle Ausstattung eingesetzt werden. So vereinen wir Tradition und Innovation, um eine zeitgemäße Kleiderkultur zu schaffen, die Qualität und Individualität in den Vordergrund stellt und sich gleichzeitig einem größeren Kundenkreis öffnet.
Das setzt natürlich voraus, dass die Maßschneider dazu bereit sind, in solchen zeitgemäßen Strukturen zu arbeiten und zu kooperieren.
Da bin ich ganz optimistisch, denn das Handwerk hat immer gezeigt, dass es die Kraft hat, sich weiterzuentwickeln und seine Zukunft nachhaltig zu gestalten.
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