Hast du dich jemals gefragt, was die Geschichte hinter den bunten und einfallsreich gestalteten afrikanischen Stoffen ist? Die bis heute anhaltende Beliebtheit dieser Stoffe haben wir ganz besonderen Frauen aus Westafrika zu verdanken, den Nana Benz.
Das Wichtigste zuerst. Nana Benz waren Großhändlerinnen, die aus Lomé – Hauptstadt von Togo – in Afrika stammten. In Togo bedeutet Nana „Mutter“ oder „Großmutter“. Der zweite Teil des Namens bezieht sich tatsächlich auf die berühmte Automarke des Herstellers Mercedes Benz. Die Nana Benz waren Geschäftsfrauen, die die ersten waren, Mercedes Benz Autos nach Togo zu importieren. Das sich Frauen in einer Gesellschaft mit sehr traditionellen Familienrollen diese Luxuswagen leisten konnten, war in den 1970er eine wahre Sensation! Hier ist ihre Geschichte.
Die Ursprünge – von Indonesien nach Afrika
Alles begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Holländer Söldner von der Goldküste Afrikas (heutiger Ghana) rekrutieren, um sie bei den Unruhen in ihren Indonesischen Kolonien zu unterstützen. Bei ihrer Rückkehr haben die Söldner in ihren Koffern schöner Batik-Stoffe aus Java mitgebracht, die sehr schnell zu einer der beliebtesten Handelsware in Westafrika wird. Die Holländer erkannten, dass die Indonesier einen einzigartigen Stil hatten, Baumwolle beidseitig zu bedrucken und obendrein mit Wachs Farben darauf anzubringen. Sie witterten aufgrund der Verbreitung der Mitbringsel durch die Söldner das große Geschäft auf den afrikanischen Markt. Zurück in der Heimat ahmten die holländischen Geschäftsleute deshalb die Idee der Stoffherstellung nach, fügten exotische Farbmuster hinzu um ihre Zielmärkte besser anzusprechen und so entstand das berühmte „Dutch Wax“.
Mit der Unabhängigkeit kommt die Marktnische
Kehren wir zurück nach Afrika. Während der 1960er Jahre fanden überall auf dem Kontinent Unabhängigkeitsbewegungen statt. Dies führte dazu, dass die Stoff- und Textillieferungen an den Kontinent aufgrund der steigenden politischen Unruhen auf unbestimmte Zeit eingestellt wurden. Ausländer, die im Stoffimport nach Afrika tätig waren, mussten ihre Geschäfte schließen. Die Nana Benz erkannten das Potential in dieser frei gewordenen Marktlücke. Es war die große Chance für die Afrikaner, den Handel zu kontrollieren, was die Nana Benz auch ausnutzten. Die Nana Benz kontaktierten die holländischen Stoffhersteller, die sich in Indonesien niedergelassen hatten, und überzeugten sie, Sendungen des holländischen „Dutch Wax“ an der Küste Togos abzuliefern. Zuvor hatten die Nana Benz erfolgreich einen Deal mit der dem Marktführer für afrikanische Stoffe, Vlisco, abgeschlossen. Die Vereinbarung sicherte Ihnen Exklusivität sowohl auf den Großhandel auf dem afrikanischen Kontinent als auch auf die entwickelten Designs der Stoffe. Ein genialer Zug der Geschäftsfrauen aus Lomé!
Aufstieg der Nana Benz
Ab diesem Moment waren die Nana Benz nicht zu stoppen. Sie hörten nicht auf, die Gesellschaft mit ihren riesigen Schritten zum Erfolg zu verblüffen. Sie verwandelten Lomé innerhalb kürzester Zeit in das Drehkreuz für den Vertrieb der „Dutch Wax“-Stoffe. Bei der Geschwindigkeit, mit der ihr Geschäft an Fahrt aufnahm, kann man behaupten, dass sich niemand sicher genug fühlte, um ihnen Konkurrenz zu machen, was ihnen einen monopolistischen Vorteil verschaffte. Ihre enormen Leistungen führten dazu, dass der Name Nana Benz offiziell zu ihrem Markenzeichen wurde. Der Name symbolisierte die Kraft der Frauen, den Erfindungsreichtum, den Mut, den Hunger nach Erfolg, die Hingabe und den Kampf und schließlich den Stolz auf die Ergebnisse. In ihrem Selbstverständnis waren die Nana Benz erfolgreiche Geschäftsfrauen, fürsorgliche Mütter, liebende Ehefrauen und verantwortungsvolle Bürgerinnen gleichermaßen.
Vorbilder für gesellschaftliche Courage
Heute würden die Nana Benz die Bezeichnung „Role Model“ erhalten. Doch sie sind mehr als das. Ihr außergewöhnliches gesellschaftliches Engagement macht sie zum Kulturerbe des Togos und darüber hinaus. Zu ihren erfolgreichsten Zeiten schätzt an, dass die Nana Benz für bis zu 45% der steuerlichen Einnahmen des Togos verantwortlich waren. Dies ist umso bemerkenswerter als sie damals in der informellen Wirtschaft betrieben haben, das heißt ein Bereich, indem die Zahlung von Steuern per Definition nicht systematisch vorgesehen und damit keineswegs Pflicht ist. Darüber hinaus engagierten sie sich in vielen Bereichen: finanzierten den Bau wichtiger Infrastrukturen wie Kirchen, spielten Fußball, liefen am Tag der Unabhängigkeitsfeier in der Parade mit. Vor allem repräsentierten sie das Land indem sie den Präsidenten auf Reisen begleiteten oder der Regierung ihre Mercedes Benz Autos ausliehen, wenn ausländische Staatschefs zu Besuch im Land waren.
Die Nana Benz und die Stärkung der Frauen
Die Entwicklung der Nana Benz stieß bei den Konservativen auf wenig Begeisterung, da sie Frauen weiterhin ihrer traditionellen Rolle als Mutter und Ehefrau sehen wollten. Die Nana Benz mussten sich selbst und den Skeptikern beweisen, dass ein anderer Weg für Frauen möglich ist. Den Beweis haben sie erbracht. Sie waren in der Lage, sich in eine Position zu bringen, in der man zu ihnen aufblicken und sich auf sie verlassen konnte. Sie bewiesen, dass gut durchdachte Strategien und kühne Schachzüge Erfolg versprechen.
Mehrere von Ihnen wurden mit nationalen Ehrenzeichen geehrt. Sie hinterlassen sowohl in der Textilkunst, im Handel, im Rollenbild der Frau als auch in der Politik einen historischen Erben, der aus der Geschichte Togos und Westafrikas nicht mehr wegzudenken ist.
Die Nana Benz bauten sich einen guten Ruf und eine starke Marke auf. Obwohl sie wenig oder gar nicht gebildet waren – die meisten von ihnen hatten die Schule nicht besucht, haben sie sich für alle Bereiche der Gesellschaft interessiert und durch Ideen und finanzieller Kraft einen Beitrag für ein besseres Leben aller Bürger geleistet. Für ihre eigenen Kindern war ihnen Bildung besonders wichtig. Sie schickten sie auf die besten Schulen und Universitäten, manchmal ganz weit weg nach Europa. Es sind diese Kinder, insbesondere die Töchter, die heute die Nachfolge ihrer Mütter als exzellent ausgebildeten Geschäftsfrauen auf den Märkten von Lomé übernehmen. In Andenken an die Generation ihrer Mütter und Großmütter werden sie auch „Nanette“ genannt.
Die Zukunft der afrikanischen Stoffe
Der Wax-Stoff gehört heute zur Identität Afrikas und insbesondere der Frauen. Diese Stoffe begleiten sie ein Leben lang und markieren wichtige Ereignisse wie Geburt, Kommunion, Schulabschluss, Verlobung, Hochzeit aber auch Trauer. Die Stoffe erhalten eigene Namen und werden somit zur Ausdrucksweise für die Frauen. Einige bekannte Design-Namen echter Klassiker sind: Frau Milliardärin, Auge meiner Rivalin oder Gehst-du-aus-geh-ich-aus.
Doch hat sich der Markt sehr stark gewandelt. Bereits in den 1980ern verloren die Nana Benz die Exklusivität auf Designs der afrikanischen Stoffen. Dies führte dazu, dass andere Angebote sich entwickelten, die dem Original nachahmen, in der Qualität jedoch meist unterlegen sind. Heute wird bei afrikanischen Stoffen unterschieden zwischen dem holländischen, dem afrikanischen und dem englischen Wax-Stoff, wobei der „Dutch Wax“ weiterhin für die höchste Qualität steht. Die größte Konkurrenz und Gefahr für die Nana Benz und ihre Nachfolgerinnen kommen allerdings auch China. Dort werden die Designs aus Afrika und Holland einfach kopiert und mit schlechterer Qualität, dafür deutlicher günstiger produziert. Diese Plagiate überfluten die Märkte Afrikas und auch international, ohne dass sich die anderen Hersteller wirklich dagegen wehren können. Wer gute Qualität wünscht sollte deshalb beim Kauf afrikanischer Stoffe sehr genau auf Herkunft, Genauigkeit des Designs und Farbenechtheit achten. Die Investition lohnt sich, denn eine Original Wax-Stoff lässt sich problemlos mehrere Jahrzehnte nutzen.